Du bist sichtbar!

Sexualisierte Gewalt gegen Frauen* und Aktivismus in der Kunst

Für mich war es immer etwas Natürliches, meine Gefühle, Empfindungen und Erfahrungen in Kunst oder etwas Kreatives zu transformieren. Schon als kleines Kind malte und zeichnete, musizierte und tanzte oder bastelte und baute ich den ganzen Tag an etwas; ich kreierte meine eigene Welt. Eine Ausflucht aus der Realität. Einen imaginären Zufluchtsort, der mir gehörte; mir ganz alleine. Durch die Kunst war es für mich möglich, mein eigenes Selbst zu erkunden, sowie mein äußeres und inneres Erleben zu einem gemeinsamen, sich ergänzenden Ich-Gefühl zu verbinden. In meinen Texten entblöße ich mich, zeige mich splitterfasernackt vor den Lesenden und lasse sie an den intimsten und leidvollsten Momenten meines Lebens teilhaben. In meiner Musik verliere ich mich, bespiele das Cello bis zum Moment der völligen Gedankenauflösung. Und in meiner Malerei bin ich expressiv und lasse meinen Gefühlen freien Lauf, bin zerstörerisch oder vorsichtig; manchmal zärtlich und liebevoll, manchmal aggressiv und wild. Jedes Gefühl bekommt Raum. Jede Empfindung hat Platz.

In der Resonanz mit der Öffentlichkeit bedeutet das Kunstschaffen immer ein gewisses Risiko; wie viel gebe ich von mir Preis? Wie viel wage ich von mir als Mensch und Person zu zeigen? Je intimer die Thematik, desto schwieriger kann der Schritt an die Öffentlichkeit für die Künstlerin* oder den Künstler* sein. Einen besonderen Stellenwert nimmt hier der Diskurs um sexualisierte Gewalt gegen Frauen* ein – ein Thema, das oftmals mit Scham besetzt ist.

Kann frau* sich durch die öffentliche Ausstellung ihrer Werke von den seelischen Folgen sexualisierter Gewalt befreien? In weiterer Folge vielleicht sogar ein Stück weit heilen? Ich sage; JA.

Heilung von Trauma kann durch die künstlerische Auseinandersetzung mit einem Bild, einem Musikstück oder einer Skulptur möglich sein. Die im Prozess entstehende bildhafte Symbolisierung ermöglicht eine gewisse innere Distanzierung zum inneren Erleben. Abstand zur Erfahrung wird möglich und ein Prozess der Verarbeitung wird in Gang gesetzt. Durch die Kunst können Menschen in verborgene Landschaften ihrer selbst reisen. Durch die Kunst ist es uns Menschen möglich, Gefühle und Empfindungen auszudrücken, denen Worte niemals genügen würden. Durch die Kunst entsteht ein öffentlicher Diskurs über Themen, die sonst zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. 

Durch die Veröffentlichung von Werken kann es Betroffenen gelingen, sich aus der Isolation, die sexualisierte Gewalt häufig mit sich bringt, auszubrechen. Die öffentliche Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt gegen Frauen* macht die Betrachterin* und den Betrachter* zu Zeugen.

Du bist nicht mehr allein! Du bist sichtbar.

Livia Klein, BA
(c) Isabella Hewlett

Über die Autorin:
Livia Klein ist Initiatorin künstlerische Leitung von unsichtbar und beschäftigt sich seit vielen Jahren auf sowohl traumapädagogische als auch künstlerische Art und Weise intensiv mit der Thematik „sexualisierte Gewalt“.  Als Kuratorin, Galerie-Mitarbeiterin und Digital Communication Managerin für verschiedene Kunst- und Kultur-Institutionen und Künstler*innen, ist sie fest verankert in der Wiener Kunstszene. 

Kontakt:
Livia Klein, BA
www.unsichtbar.art
livia@unsichtbar.art
IG: unsichtbar.art I FB: Unsichtbar I Twitter: unsichtbar.art

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